Im Jahr 2025 könnte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland etwa 35 Prozent weniger Kirchensteuerzahler haben. Wie stellt sie sich darauf ein? Sabine Kuschel sprach darüber mit Finanzdezernent Oberkirchenrat Stefan Große.
Herr Oberkirchenrat Große, wie stellt sich die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) auf den demografischen Wandel ein?
Große: Die EKM kann sich allein aus ihren Kirchensteuern nicht finanzieren. Lediglich etwa 50 Prozent der Einnahmen sind Kirchensteuern unserer Mitglieder. Etwa 30 Prozent der Einnahmen kommen aus dem Finanzausgleich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit von der Gemeinschaft der Geberkirchen. Und etwa 20 Prozent sind Staatsleistungen von den Bundesländern, aufgrund der Staatskirchenverträge aus den frühen 1990er-Jahren.
Der demografische Wandel trifft uns hart, aber auch ganz unterschiedlich: Im Norden der EKM wirkt er tendenziell stärker, im Süden aufgrund der höheren Kirchlichkeit weniger. Aber in etlichen Städten nimmt die Gemeindegliederzahl wegen des gesellschaftlichen Trends, in die Städte und Ballungszentren zu ziehen, zu. Mit dem Finanzgesetz ist es uns schon ganz gut gelungen, die unterschiedlichen Situationen in der EKM zu berücksichtigen. Es setzt ganz bewusst nur Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kirchenkreisen und Kirchengemeinden. Dort kann die Arbeit dann auf die unterschiedlichen Voraussetzungen eingestellt werden. Der Schwerpunkt liegt darin, den Verkündigungsdienst finanziell zu gewährleisten. Zuerst kommen also die Inhalte. Dafür geben wir das meiste Geld aus.
Die Formel für die Berechnung der zu finanzierenden Stellen für den Verkündigungsdienst kommt mit wenigen Kriterien aus: Gemeindegliederzahl, Einwohnerzahl, die Zahl der Landgemeinden und der prozentuale Christenanteil. Das sind die Makrokriterien. Aufgabe der Kirchenkreise ist es, ihrer jeweiligen Situation und Einsicht angepasste Mikrokriterien zu entwickeln und auf der Grundlage dieser Mikrokriterien die Stellen, die sie aufgrund der Makrokriterien zur Verfügung haben, im Kirchenkreis aufzuteilen. Lebendig wird das Prinzip durch eine transparente und offene Auseinandersetzung im jeweiligen Kirchenkreis.
Wo soll in den nächsten Jahren gespart werden?
Große: Wir hatten in den letzten Jahren ein gutes Kirchensteueraufkommen. Nur muss man auch sehen, dass EKD-weit seit 1994 die staatlichen Steuern um 50 Prozent gestiegen sind, die Kirchensteuern um durchschnittlich nur 18 Prozent, die Kosten aber um
40 Prozent. Die Entwicklung der Gemeindeglieder ist weiter rückläufig!
Wir gehen nach derzeitiger Planung davon aus, dass wir im Jahr 2025 mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation 35 Prozent weniger Kirchensteuerzahler aus dem Bereich der Erwerbstätigen haben werden. Damit werden die Einnahmen sinken und wir müssen die Ausgaben anpassen. Das ist bitter, wird aber nicht weniger bitter, wenn wir die Augen davor verschließen. Wenn wir uns aber heute unaufgeregt darauf einstellen, nicht in Panik verfallen, angemessen langfristig planen und die Chancen aus der vergleichsweise guten Situation heute nutzen, wird auch dies – mit allen Schwierigkeiten – gestaltbar sein.
Wir versuchen zunächst die Einnahmen zu stabilisieren. Neben der Kirchensteuer gibt es noch weitere Einnahmen, wie zum Beispiel die Einnahmen aus Grundstücken. Hier denke ich insbesondere an die Pachteinnahmen aus dem Pfarrland, die den Kirchenkreisen zur Verfügung stehen. Immerhin finanzieren die Kirchenkreise der EKM gegenwärtig rund 140 Pfarrstellen aus den Pfarrlandeinnahmen. Dem Baulastfonds der Kirchenkreise fließen aus den Pachten rund 5 Millionen Euro zu. Deutlich Luft nach oben gibt es beim Gemeindebeitrag, der in voller Höhe in der jeweiligen Kirchengemeinde bleibt. Wie bei allen Spenden kommt es sehr darauf an, ob und wie geworben wird, ob es konkrete Projekte
gibt, die den Beitrag plausibel machen.
Wo muss oder soll denn nun konkret gespart werden?
Große: Sparen ist übrigens eine Bezeichnung, die nicht zutreffend ist. Wer spart, legt etwas von dem, was er übrighat, auf die hohe Kante. Wir versuchen von dem Geld, das wir heute schon zu wenig haben, weniger auszugeben. Dabei kommen wir an dem Schwerpunkt, dem Verkündigungsdienst, leider nicht vorbei. Ab Januar 2019 müssen die Kirchenkreise ihre bisherigen Stellenpläne aufgrund der veränderten Kriterien anpassen. Das wird zu einer zusätzlichen Einsparung von rund 80 Stellen im Verkündigungsdienst der 37 Kirchenkreise führen.
Das Finanzgesetz legt auch fest, dass die Finanzierung der Ebene der Landeskirche und aller ihrer Aktivitäten an die Entwicklung auf der Ebene der Kirchenkreise und Kirchengemeinden gekoppelt ist.
Große: Das betrifft alle gesamtkirchlichen Aufgaben vom Zuschuss für die Diakonie über die Finanzierung des Pädagogisch-Theologischen Instituts, der Evangelischen Akademien, der Tagungshäuser, der Sonderseelsorge bis hin zum Landeskirchenamt oder Zuschüssen für die Kirchenzeitung, um ein paar Beispiele zu nennen. Es kann in der EKM nicht auf der Ebene der Kirchenkreise und Kirchengemeinden weniger und auf der Ebene der Landeskirche mehr Geld ausgegeben werden. Daher hat Präsidentin Andrae in ihrem Sommerinterview auf den Betrag von 2,5 bis 3 Millionen Euro hingewiesen, den die Landeskirche bis 2019 einsparen muss. Das wird hart und für das Landeskirchenamt kann ich sagen: Wir sind schon mitten in den Diskussionen.
Wie kann vermieden werden, dass der nächsten Generation Lasten übergeben werden?
Große: Wir haben in den vergangenen Jahren auf dem Weg der finanziellen Konsolidierung der EKM einiges geschafft. Die guten Kirchensteuer-Jahre waren da hilfreich. Wir konnten gerade bei der Sicherung der Pensionsansprüche Fortschritte erreichen. Gleichzeitig bescheinigt uns ein Versorgungsgutachten eine Lücke bei der Absicherung von immer noch 122 Millionen Euro. Diese wäre durch eine entsprechende Sonderzahlung zu schließen. Daran arbeiten wir. Wäre sie geschlossen, hätten wir im Haushalt Mittel frei. Diese könnten gezielt eingesetzt werden, um langfristig weitere Mittel zu akkumulieren, die die zukünftigen Haushalte derer, die nach uns Verantwortung tragen, entlasten würden.
Gut ist auch, dass die EKM selbst keine Kredite zur Finanzierung des laufenden Haushalts benötigt. Die Kreditbelastung der Kirchenkreise und Kirchengemeinden ist ebenfalls rückläufig. Kredite auf diesen Ebenen wurden stets nur für Investitionsvorhaben und im Regelfall auch nur für 10 Jahre aufgenommen.
Der Blick in die Zukunft: Wie wird die EKM im Jahr 2025 aussehen? Wo liegen ihre Schwerpunkte?
Große: In zehn Jahren sind wir, so Gott will und keine Katastrophen eintreten, finanziell so solide wie heute. Wir werden hoffentlich Chancen noch zu nutzen wissen.
Dazu gehören für mich die Erprobungsräume, die hoffentlich bis dahin Nachahmer gefunden haben. Innovationsfreude sollte uns beflügeln und stärker sein als manche Klage, die bestimmt ihre Berechtigung hat, aber nicht das letzte Wort haben sollte. Schön wäre es auch, wenn dann in der EKM wieder stärker über Inhalte und erst in zweiter Linie über Geld gesprochen würde. Kirche ist zuerst eine lebendige Gemeinschaft, die Christen zusammenführt, die sie gestalten wollen, und das nicht mit dem Taschenrechner, sondern mit dem Bekenntnis zu dem, der da war, der da ist und der da sein wird.