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Finanzen: Vieles wird in einen Topf geworfen

Oberkirchenrat Stefan Große über Fakten und Vorurteile bezüglich der Staatsleistungen

Regelmäßig im Sommer veröffentlicht die Humanistische Union Berechnungen zu den Staatsleistungen für die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Diözesen. Sie betragen in diesem Jahr für die EKM rund 39,9 Millionen Euro. Katja Schmidtke sprach darüber mit dem Finanzdezernenten, Oberkirchenrat Stefan Große.

Viele Medien übernehmen den Ton der Pressemitteilung der Humanistischen Union. Ärgert Sie das?
Große:
Es ist das gute Recht der Humanistischen Union, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Dass das regelmäßig im Sommerloch erfolgt, spricht für sich. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, verschweigt die Humanistische Union bewusst oder unbewusst, dass man die Dinge sauber trennen muss, um eben nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Falsches wird nicht durch ständiges Wiederholen richtig.

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Stefan Große. Foto:  Stephan Kurzke

Stefan Große. Foto: Stephan Kurzke

Mich enttäuscht, dass Medien relativ ungeprüft derartige Inhalte übernehmen. Die Korrektivaufgabe, die Journalisten haben, sollte doch verhindern, einfach ideologische, anti-kirchliche Reflexe zu verstärken.

Was sollte differenziert werden?
Große:
Gerne werden bei der Kirchenfinanzierung Staatsleistungen, Kirchensteuern und die Leistungen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips, also Leistungen für die Wohlfahrtspflege, in einen Topf geworfen.

Erstens: Die Staatsleistungen. Sie sind letztlich Pachtersatzleistungen für säkularisiertes Kirchenvermögen infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Der Staat hat Land von der Kirche bekommen, und damit war die Kirche nicht mehr in der Lage, sich aufgrund der Pachterlöse von diesem Land zu finanzieren. Der Staat erfüllt damit eine Rechtsverpflichtung gegenüber der Kirche. Das haben die Weimarer Reichsverfassung und später das Grundgesetz so übernommen.

Zweitens: Die Kirchensteuer. Sie wird oft herangezogen, um eine zu enge Verflechtung zwischen Staat und Kirche in Deutschland zu belegen. Im Kern ist die Kirchensteuer das Gegenteil. Sie hat die direkte Staatsfinanzierung abgelöst und ist im Grunde nichts anderes als ein Mitgliedsbeitrag, den der Staat im Auftrag der Kirche erhebt. Für diese Dienstleistung bekommt der Staat drei Prozent des Kirchensteueraufkommens. Im digitalen Zeitalter, wo das mit relativ wenig Aufwand verbunden ist, ist das ein guter Satz.

Sie sprachen auch von Leistungen nach dem Subsidiaritätsprinzip. Was verbirgt sich dahinter?
Große:
Das sind öffentliche Mittel, die der Staat als Kostenerstattung an freie Träger der Wohlfahrtspflege zahlt, etwa dafür, dass sie Kindergärten, Pflegeheime oder Krankenhäuser betreiben. Solche Gelder bekommen die AWO, das Rote Kreuz, die Volkssolidarität, die Waldorfschulen und eben auch die kirchlichen Träger. Dies als besondere Unterstützung der Kirchen herauszustellen, ist falsch.

EKD-weit machen die Staatsleistungen zwei Prozent der Einnahmen aus. Wie sieht das in der EKM aus?
Große:
In Mitteldeutschland ist das deutlich höher, aber das hat einen Grund. In den frühen 1990er-Jahren wurden in den Staatskirchenverträgen u. a. die Staatsleistungen neu verhandelt und per Gesetz in Kraft gesetzt. Im Rahmen dieser Verhandlungen haben sich Kirche und Staat neu verständigt und sich dabei aufeinander zu bewegt. Das ging natürlich nicht ohne Zugeständnisse auf beiden Seiten. Dies also zum Vorwurf: Staatsleistungen wären ein alter Zopf. Nein, in den neuen Ländern liegen ihnen moderne Verträge zu Grunde – und Verträge sind zu erfüllen. Wir leben in einem Rechtsstaat.

Natürlich würden wir uns Ablöseverhandlungen nicht verschließen. Der Bundesgesetzgeber ist nach Artikel 140 Grundgesetz der eigentliche Verpflichtete für ein Ablösegrundsätze-Gesetz. Es sollte einen länderübergreifenden einheitlichen Maßstab geben, mit dem klar ist, wie die Staatsleistungen abgelöst werden und dass keine (Teil-) Enteignung stattfindet.

Was meinen Sie damit?
Große:
Rein juristisch bedeutet Ablösung nicht, das Recht zu entziehen und dann zu schauen, welcher Ersatz zu zahlen ist. Ablösung bedeutet, die juristische Hingabe einer Leistung an Erfüllungsstatt, also der Ersatz der abzulösenden Leistung durch eine neue, die Ablöseleistung. Wir sind die Letzten, die sich solchen Verhandlungen verschließen würden. Das hat die EKD übrigens deutlich erklärt.

Kommentare bitte an: leserbriefe@glaube-und-heimat.de


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Kirche zu verkaufen


Bitterfelder Gemeinde kann sich Unterhalt von zwei Kirchen und Gemeindehaus nicht leisten

Die Bauermeister-Gedächtniskirche ist in Stein gemeißelte Geschichte. Sie erzählt nicht nur, wie Kirchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurden – im neogotischen Stil, mit fantasiereichen Wandbemalungen, bunten Bleiglasfenstern und geschnitzter Kanzel. Das ist nicht außergewöhnlich, ähnliche Kirchen stehen in Dessau, Halle oder im Bitterfelder Zentrum. Nein, die Bauermeister-Gedächtniskirche am Rande der Stadt, in der ehemaligen Kraftwerkssiedlung Deutsche Grube erzählt ein Stück Industrie- und Sozialgeschichte.
Gebaut von 1905 bis 1907, war die Kirche zunächst eine Privatkirche, bezahlt vom Unternehmer Louis Bauermeister, der eine Kohlegrube und Tonröhrenfabrik betrieb. Bauermeister und besonders seine Frau galten als sozial, und so ließ der Unternehmer einen Kindergarten, eine Schule und eben eine Kirche errichten. Denkmalschützer schwärmen, ein industriegeschichtliches Denkmal wie die neogotische Kirche in der Deutschen Grube gebe es in Sachsen-Anhalt kein zweites Mal.

Der Bitterfelder Pfarrer Johannes Toaspern erzählt diese Geschichte gerne und mit viel Enthusiasmus, aber allein aus Begeisterung heraus lässt sich kein Kirchengebäude unterhalten.
In der Kraftwerkssiedlung, zu der noch in den 1950er-Jahren eine starke christliche Gemeinde gehörte, leben inzwischen kaum mehr Christen. Nach der Wende zogen viele, die im Wolfener Neubaugebiet groß geworden sind, in die Siedlung. Menschen, die kaum christlich sozialisiert sind, schildert der Pfarrer. Inzwischen wird eine Handvoll Gemeindeblättchen verteilt, ein Aufruf vor vier Jahren, was mit der Kirche geschehen solle, blieb ohne Reaktion, und sonntags kamen so wenige zum Beten und Singen zusammen, dass seit Frühjahr 2017 keine Andachten und Gottesdienste mehr in der Bauermeister-Gedächtniskirche gefeiert werden.

Nun will die Gemeinde das Gotteshaus verkaufen. »Ich liebe diese Kirche. Je länger, desto mehr«, sagt der Pfarrer. Aber der Prediger und Seelsorger ist längst auch zum Immobilienmanager geworden. Denn die Gemeinde mit ihren 1 000 Mitgliedern kann sich auf Dauer nicht alle Gebäude leisten. Im Bitterfelder Zentrum soll die ebenfalls um die Jahrhundertwende errichtete Stadtkirche saniert und zum Gemeindezentrum umgebaut werden. Ist das geschehen, möchte die Gemeinde das Lutherhaus von 1928 veräußern – ein riesiges Haus mit Saal, Pfarrwohnung, Mietwohnungen, Büro- und Sozialräumen, Freitreppe und Terrasse.

Seit dem Frühjahr wirbt Johannes Toaspern für die Bauermeister-Gedächtniskirche. Zeitungen und Fernsehen berichteten und einige Interessenten haben sich gemeldet. Denkbar ist vieles: Die Weiternutzung als Kirche durch Freikirchen oder orthodoxe Christen, die Heimstatt für eine Communität, Wohnhaus und Ateliers für Künstler oder eine »Hochzeits-Event-Kirche«. Konkrete, ernstgemeinte Angebote mit einer überzeugenden Nutzung gibt es bislang nicht. Einen Preis hat die Kirchengemeinde nicht festgelegt. »Der Preis ist abhängig vom Nutzungskonzept«, so Pfarrer Toaspern.

Katja Schmidtke


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