Kirchensteuer: Verunsicherung über verändertes Einzugsverfahren bei Kapitalerträgen
Deutschlandweit ist die Zahl der Kirchenaustritte drastisch gestiegen. Als Grund wird das für 2015 angekündigte veränderte Einzugsverfahren bei der Kirchensteuer auf Kapitalerträge vermutet.
Der Leiter des Kreiskirchenamtes in Gotha, Bernd Hänel, kann die derzeitige Austrittswelle in den Kirchen nicht nachvollziehen. Allein in seinem Verantwortungsbereich für sechs Kirchenkreise wurden bis Ende Juli 886 Austritte registriert. Das sind mehr als doppelt so viel wie im ganzen Jahr 2013. Als Grund sehen die Kirchen die Änderung beim Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge, die ab 2015 nicht mehr vom Finanzamt, sondern von den Banken direkt abgeführt wird. »Keiner hat damit gerechnet, dass es eine Austrittswelle gibt«, wundert sich Hänel. »Es ändert sich ja faktisch nichts.« Zudem beträfe das die wenigsten der Kirchenmitglieder in Thüringen und Sachsen-Anhalt, weil die Freibeträge von 801 Euro Kapitalertrag, wie zum Beispiel Zinsen, bei Alleinlebenden bzw. 1 602 Euro bei Verheirateten kaum überschritten werden.
Nach einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes ist in allen Landeskirchen der EKD die Zahl der Austritte drastisch gestiegen. So verlor die bayerische Landeskirche im ersten Halbjahr 14 800 Mitglieder, Württemberg 5 500. In Sachsen verließen 6 000 evangelische Christen ihre Kirche. In der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) sind es bis Ende Juni 5 543, das sind mehr als im gesamten Jahr 2013, informiert das Finanzdezernat. Die Landeskirche Anhalts verlor bis Ende Juli etwa 500 Mitglieder.
Der Schwerpunkt der Austritte liege in den Altersgruppen über 60, so Stefan Große, Finanzdezernent der EKM. In den übrigen Altersgruppen normalisiere sich die Situation wieder sichtbar, die Austrittszahlen würden sinken. Bernd Hänel ist da weniger optimistisch und meint: »Diese Welle ist noch nicht vorüber.«
Auch Gudrun Maleika vom Meldewesen in Anhalt war Anfang dieses Jahres sehr überrascht. Zunächst wunderte sie sich, dass so viele Menschen in hohem Alter ihren Kirchenaustritt erklärten. Dann las sie in der Bernburger Ausgabe der Tageszeitung die fatale Überschrift »Kirche greift Bürgern in den Geldbeutel«. Die Menschen seien über diese Falschaussage so verunsichert gewesen, dass sogar die Abordnung eines Seniorenheims zu ihr kam, um sich über die Hintergründe aufklären zu lassen. Manche meinten, es gäbe nun eine weitere Steuer. »Die Kapitalerträge mussten bislang über die Steuererklärung angegeben werden«, informierte der anhaltische Oberkirchenrat Rainer Rausch daraufhin in einer Presseerklärung. »Ab 1. Januar 2015 wird das bisherige Verfahren lediglich vereinfacht und automatisiert. Dann sind für den Kirchensteuereinzug kein gesonderter Antrag und keine Erklärung mehr nötig«, so Rausch. Auch Oberkirchenrat Stefan Große hatte im Mai in »Glaube + Heimat« (Nr. 20/2014) die Änderung erklärt.
Kein Rentner oder Kleinsparer muss sich also um sein Erspartes sorgen, da es durch die Freibeträge geschützt ist. Niemand muss mehr Kirchensteuern zahlen, denn diese Steuern waren auch bisher fällig. Das scheint so bei den Bankkunden nicht angekommen zu sein. Kirchen werfen nun den Geldinstituten vor, zwar juristisch korrekt, aber für den Normalbürger zu unverständlich informiert zu haben. Der Finanzchef der rheinischen Landeskirche, Bernd Baucks, hatte deutschen Banken laut epd-Bericht sogar unterstellt, Kunden in einzelnen Fällen zum Kirchenaustritt geraten zu haben. Diese wiederum weisen solche Vorwürfe zurück. Sie seien nicht für die Austrittswelle verantwortlich, sondern setzten lediglich Vorgaben des Gesetzgebers technisch um.
Die Kirchen stehen nun vor einem Dilemma, weil einmal Ausgetretene kaum wiederzugewinnen sind. Die anhaltische Landeskirche, so Matthias Köhn, Leiter der Verwaltung, habe anfangs jeden Ausgetretenen angeschrieben. Leider ohne Resonanz. Dass die Austritte allein auf die steuerrechtliche Veränderung zurückzuführen seien, kann niemand mit Bestimmtheit sagen, da eine Austrittsbegründung in der Regel nicht genannt wird.
Dietlind Steinhöfel
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